Ein Apfel ist ein Apfel, ist ein Apfel?



Bildquelle: Maria Hethke (Tropengewächshaus Witzenhausen)

Am Sonntag, 25. November gibt es in Witzenhausen zwischen 15 und 18 Uhr mindestens 160 verschiedene Apfelsorten zu sehen, darunter altbewährte wie auch neu gezüchtete, bekannte und fast verschollene Tafel-, Most- und Wirtschaftsäpfel aus allen Regionen Deutschlands. Der Eintritt ist frei.

Darunter sind altbewährte wie auch neu gezüchtete, bekannte und fast verschollene Tafel-, Most- und Wirtschaftsäpfel aus allen Regionen Deutschlands. Der Eintritt ist frei.

Sie haben die Möglichkeit, die eigenen Früchte durch einen Sortenkenner vom Pomologen-Verein bestimmen zu lassen. Dazu bringen Sie bitte 3-5 madenfreie Äpfel oder Birnen, möglichst auf der Sonnenseite gepflückt, von Ihrem Baum mit. Eine Bestimmung kostet pro Sorte 2,50€.

Wer kennt sie noch, die alten Sorten? Der Schöne aus Nordhausen, die Große Kasseler Renette oder die Muskatellerbirne sind in den letzten Jahrzehnten fast unmerklich aus den Gärten, von den Wegrändern und den Wiesen unserer heimischen Landschaft verschwunden. Und mit ihnen verschwindet das Kulturgut vieler alter Sorten, die unsere Vorfahren über Jahrhunderte genutzt, sorgsam gehütet und vermehrt haben. Mit ihnen sind auch wertvolle Eigenschaften (z.B. Krankheits- und Schädlingsresistenzen, Klima- und Standortangepasstheit) unwiederbringlich verlorengegangen. Einige der alten Sorten sind uns nur noch aus Beschreibungen und Erzählungen unserer Eltern oder Großeltern bekannt.

Fortschreitende Spezialisierung auf wenige Standardsorten, verbunden mit der Entwicklung weg vom langlebigen Hochstamm-Baum hin zum kurzlebigen Busch- und Spindelbaum, dem allmählichen Verschwinden des selbst angebauten Obstes als Folge des Angebots „vereinheitlichter“ Supermarkt-Früchte und gezielten politischen Maßnahmen, wie Abholzungsprämien, bewirkten im Obstbau eine Gen-Erosion nie gekannten Ausmaßes.

Bei der Erhaltung alter Obstsorten geht es nicht allein um die Bewahrung eines Kulturgutes und um die Rettung genetischer Ressourcen, sondern auch um eine Vielfalt der Sinneserfahrung jenseits industrieller Massenproduktion. Wer einmal den Duft eines vollsaftigen Gravensteiners, das würzige Aroma eines frisch gepflückten Prinzenapfels oder den fruchtig-aromatischen Geschmack eines Berlepsch kennengelernt hat, der wird das immer gleiche Angebot an Elstar-, Jonagold-, Delicious- und Gala-Äpfeln als eintönig und geschmacksarm empfinden. Wer gute Äpfel zum Kuchenbacken sucht, wird bei Riesenboiken oder Jakob Lebel fündig, den alten Wirtschaftssorten, deren Früchte ebenso wenig im Laden erhältlich sind wie der Weiße Klarapfel und der Bismarckapfel, den Äpfeln für bestes Apfelmus. Guten Apfelsaft erhält man von Mostsorten wie dem Rheinischen Bohnapfel, der Grauen Herbstrenette oder auch Regionalsorten wie der Westfälischen Tiefblüte. Einigen Sorten wie dem wohlschmeckenden Finkenwerder fehlt nur das genormte, marktfähige „Outfit“, welches Großhandel und Verbraucher heute zumeist erwarten. Die kleinen leuchtenden Früchte der Roten Sternrenette – von manchen auch als Weihnachtsschmuck verwendet - können uns lehren, dass eine Vielfalt von Augen- und Gaumenfreuden auch außerhalb von EU-Normen über Mindestgrößen (noch!) existiert.

Sie können diese Sorten am 25.11.2018 in Witzenhausen wieder entdecken und mit Hans Joachim Bannier aus Bielefeld rund um Apfelsorten und –anbau fachsimpeln.

Ort: Universität Kassel, Ökologische Agrarwissenschaften, Hörsaalgebäude Raum H 12 (Erdgeschoss), Steinstraße 19, 37213 Witzenhausen.